Ich soll gar nichts von meiner Haut zeigen bis hin zu ich soll mich nackt ausziehen. An einem Tag wird für mich ein Termin bei einem Mullah ausgemacht, am nächsten Tag höre ich Iraner über genau diese Religionsgelehrten schimpfen. 

Jeden Tag lerne ich neue Mitglieder der iranischen Gesellschaft kennen und jeder hat eine andere Sichtweise. Ich bin verwirrt, aber genau diese Diversität innerhalb der Gesellschaft mach Iran so interessant.

In Tehran erzähle ich der afghanischen Familie über die österreichische Lebensweise und Denkweise, über meine persönliche religiöse Einstellung und Darwins Evolutionstheorie. Daraufhin wird versucht mir einen Termin mit einem Mullah zu organisieren. (Mullah/ Akhund = islamischer Rechts- und Religionsgelehrter) Wohl um mir zu helfen Abstand zu meinen verrückten Äußerungen zu gewinnen. Aufgrund des islamischen Neujahrfests kams dann allerdings zu keinem Treffen. Zwei Tage später bin ich in einer anderen Stadt, bei einer anderen Familie, hier wird wiederum über Mullahs geschimpft und gar nichts auf diese Gelehrten gehalten.

Die Gesellschaft kann man nicht einordnen. Es gibt so viele verschiedene kontroverse Meinungen zur Religion und so unterschiedliche Lebensstile. In Europa scheren wir alle Moslems über einen Kamm. Was die Frage aufwirft, was meinen wir mit Moslem? …So viele junge Leute hier nennen sich selbst nicht mal Moslem. Sie sind am Papier Moslem, beten nicht, glauben nicht an die Geschichten im Koran. Sie sind Iraner, aber keine Moslems.

 

Wo Österreicher Urlaub machen

Ich bin seit beinahe zwei Wochen im Iran und habe ausschließlich Zeit mit Afghanen und Iranern verbracht. Die Kultur ist so anders und ich bekomme so viel Aufmerksamkeit, dass ich mich danach sehne, irgendwo unterzutauchen und mit Leuten aus meiner eigenen Kultur zu sprechen. Tourist im Iran bedeutet, du bist Gast und somit König. Die Familien sprechen ständig mit dir – auch wenn sie deine Sprache nicht können, lassen dich nie alleine, versuchen dir möglichst viel zu zeigen, damit du die best mögliche Zeit in ihrem Land verbringst. Selbst wenn du mal alleine in den Minimarkt gehst, und sehen sie es nicht an deinem Äußerem, dann bist du spätestens in dem Moment, in dem der Verkäufer dich auf Farsi anspricht und du auf Englisch antwortest als Tourist enttarnt. Dann hält den Iraner nichts mehr, du wirst sofort voller Euphorie in Beschlag genommen. Durch die Freundlichkeit der Gesellschaft fühlst du dich sofort wohl, fühlst dich willkommen, doch erlebst du so viel, dass dein Kopf Verarbeitungszeit benötigt. Und genau diese Zeit suche ich in einem Hostel in Yazd, meinem nächsten Ziel. Ich rechne mit deutschen und französischen Touristen, doch überraschenderweise ist das Hostel voll mit Österreichern. Nun weiß ich wo sie sich versteckt haben, wo ich während meiner restlichen 8 Reisemonate ja so gut wie keinen Österreicher getroffen hab. Richtig, richtig schön inmitten einer vertrauten Runde zu sitzen und die Liebe zum österreichischen Humor neu zu entdecken. Ich kenne die Leute nicht, aber es fühlt sich trotzdem alles so vertraut an, der Umgang miteinander ist super einfach, alles ist super locker. Diese Gelassenheit innerhalb der eigenen Kultur wird mir richtig bewusst, nachdem ich so lange nur mit Leuten aus anderen Ländern unterwegs war. ..Doch muss ich sagen, Reisende in Iran sind generell mein Typ Mensch, hier triffst du eine bestimmte Art von Menschen.

Nagut, war ich also im Hostel, doch hab ichs nicht geschafft ganz den Kontakt zu den Einheimischen zu verlieren. Es war viel zu spannend, an jedem Fleck Einheimische kennenzulernen. Also verbrachte ich die nächsten Tage mit Ali und einem deutschen Reisenden namens Carl.

Ali ist ein super relaxter Typ, nicht religiös und führt uns durch Yazd und auch in das uralte Dorf Kharanaq außerhalb von Yazd. Die einzige Regel seinerseits: kein Deutsch sprechen. Wie lernte ich Ali kennen – Couchsurfing. Ja es stimmt, Couchsurfing ist ein Hype in Iran, funktioniert super um bei Iranern zu nächtigen oder eben den Tag mit ihnen zu verbringen und sich anzufreunden. Abends verbrachte ich dann im Hostel, plaudernd und musizierend mit den anderen Gästen und den Hostelbesitzer.

 

Iranerinnen und die Angst vor iranischen Männern

Im Hostel fragt mich der Hostelbesitzer ob ein Mixed-Dorm (Schlafsaal mit gemischten Geschlecht) ok ist, kein Problem für mich. Tja, Pläne ändern sich, sobald Iranderinnen involviert sind. Es reisen zwei Iranerinnen an. Der Hostelbesitzer informiert mich, dass es nun doch ein Frauen-Dorm ist. ..Auch ok.

Die zwei sind hellauf begeistert, mit mir das Zimmer zu teilen, machen zehntausend Fotos.

Sie kommen aus konservativen Familien, sind 30 Jahre alt, ihre Eltern erlauben ihnen keinen Boyfriend zu haben. Die Mutter der einen Iranerin kontrolliert täglich das Handy ihrer 30 jährigen Tochter. Mit vielen neuen schockenden Infos lege ich mich schlafen. Aber: große Aufregung bei den zweien – kein Schlüssel im Schlüsselloch! Im Hof sitzen noch 3 andere männliche Gäste und unterhalten sich. Ich versuche die Iranerinnen zu beruhigen, ich habe ja alle Gäste kennengelernt, es sind hier ausschließlich Österreicher und Iraner. Allerdings verstärke ich ihre Hysterie wohl noch. Sie flippen komplett aus, sie haben Angst, ein Mann kommt in der Nacht ins Zimmer. Sie bedecken einen Kleiderständer mit allen möglichen Dingen und einer Kappe und stellen ihn vor die Tür. Ich versuche die zwei Frauen weiterhin zu beruhigen, doch sie belehren mich: Männern kann man nicht trauen. Ich versuche sie zu beschwichtigen und erkläre, die drei Männer draußen sind vom Iran, ich habe vorher mit ihnen gesprochen. …Eine Info, die ich wohl verschweigen hätte sollend. Du hast mit ihnen gesprochen? Himmel, das sind Iraner?! Du kannst iranischen Männern nicht trauen!!

Ich wache nach einer entspannten Nacht auf. Die Iranerinnen erzählen mir, sie haben fast nicht geschlafen. ..Herrje.

 

Bald kenne ich halb Iran

Da zwischen einer dreiköpfigen österreichischen Truppe des Hostels in Yazd und mir die Chemie stimmte und wir in die selbe Stadt weiterreisten, trafen wir uns dort – in Shiraz – wieder; gingen gemeinsam Essen und machten per Tourguide einen Trip nach Persepolis. Beeindruckend!

Shiraz ist nun wohl die Stadt, wo ich die meisten Iraner kennengelernt habe – meist durch Couchsurfing. Ich kam in eine richtigen Stress um alle Treffen zu können und mit allen neu gewonnenen Freunden etwas zu unternehmen. Dieses Interesse an Ausländern machts so einfach, Kontakte zu schließen. Du lernst 3 Leute kennen und am Ende deines Aufenthaltes kennst du 30. Die neu gewonnen Freunde stellen dich anderen Freunden vor und schon fühlst du dich als würdest du die halbe Stadt kennen – was vielleicht sogar zutrifft. Meine Iranischen Freunde lachen und sagen, noch 2 Monate hier und ich kenne die Hälfte der Bevölkerung. Und ja ich freue mich in dem Moment auf die nächsten Wochen und all die Leute, die ich noch kennenlernen darf.

 

Alles Liebe

Claudia