Ein neues Kapitel, ab jetzt reise ich alleine. Mein Solo-Abenteuer beginnt mit dem Arbeiten und Leben auf einer Farm.
Doch davor reisten Niklas und ich noch ins Okanagan Valley, der Anbauregion von British Columbia. Dort ist es heiß, auch im Winter mild und je südlicher, desto trockener und wüstenähnlicher. Die Landschaft ist hügelig mit Wein- und Obstbau besetzt. Ganz anders, als alles was wir in den letzten Wochen gesehen haben. Wir schauen hinüber zur USA, befinden uns direkt an der Grenze. Mit angenehmen Temperaturen verbringen wir die letzten Nächte unseres gemeinsamen Trips in unserem fast schon lieb gewonnenem Zelt.
Am 23.August wars dann soweit, Niklas und ich verabschiedeten uns. Die aufregende Zeit beginnt, ich reise alleine weiter. Bloß Tourist sein, der von einem Ort zum Nächsten reist, das ist mir zu wenig. Davon kann ich nicht genügend mitnehmen. Ich hab ja immerhin etwas mehr Zeit, ich möchte lernen während ich reise, ich möchte wissen wie die Leute leben.
„Warum arbeiten? Reise so viel du kannst, hab Spaß.“
– mit diesen Worten wurde ich vor meinem Reisestart konfrontiert. Noch immer bin ich ganz irritiert. Spaß, ja natürlich, aber Spaß hab ich genauso mit den Einheimischen während ich mit ihnen Hühner fange, während ich mit ihnen Wein herstelle und vom Alpaka geküsst (ja und ein anderes Mal sogar bespuckt) werde. Auch das tägliche Kuhmelken per Hand ist irgendwie so skurril, dass ich es nicht missen möchte. Außerdem bin ich schon irrsinnig gut darin!
Freiwilligendienst als Wwoofer
Farmen, die mich aufnehmen, hab ich mir erst während der Reise gesucht und zwar über das Netzwerk Wwoof.ca , wo man ökologische Farmen für Freiwilligendienst (gegen Logis und Kost) findet. Die 2,5 Wochen haben mir so viele Erfahrungen beschert wie wohl noch nie im selben Zeitraum! Beide Farmen waren in der Kleinstadt Chilliwack. Zuerst war ich bei einem Pensionistenpaar mit einer Hobbyfarm, anschließend bei einer Familie mit 5 Kindern.
Beschreibung der ersten Farm: eine schräge amerikanische Sitcom. Da wird eine ökologische Farm betrieben, aber die Farmoma isst nach eigenen Worten nichts Gesundes. Gemüse wird zwar angebaut, sie kauft es aber bei Walmart, die Eier ihrer Hennen werden an die Kunden verkauft. Fertige Backmischungen, Dosensuppe, Burger und Pizza – das war der tägliche Speiseplan. Dann wurde tatsächlich ein Kuchen selbst gemacht, oho! Selbstgemacht ist für dieses Paar dann gleich gesund, denn der Kuchen wurde mir mit den Worten „it’s very very healthy“ unter die Nase gehalten.
Beschreibung der zweiten Farm: oh ja, ich bekomme Einblick in eine Sekte. Die Besitzer waren ein religiöses Paar (Anhänger einer Pfingstbewegung) mit 5 Kindern im Alter von 6 bis 17 Jahren. Die Kinder werden zuhause unterrichtet, das weibliche Geschlecht trägt ausschließlich Röcke, die 12 jährige Tochter steht den ganzen Tag in der Küche und macht Nudeln, Brot und Kekse. Die Neugierde trieb mich sonntags sogar mit in ihre Kirche. Fanatisch. Lest ja nicht fantastisch, ich schrieb fanatisch. Ich hoffe nur, dass die Kinder es schaffen, aus diesem Kreis auszubrechen…. Und zweifle daran. Wer bereits als Kind in der Kirche gesagt bekommt, dass Bildung, Schule und Krankenhäuser schlecht seien, da sie dich von Gott wegbringen, der erfährt doch definitiv eine Gehirnwäsche. Und ich sitz dort, als Lehrerin, mit meiner Selbstbeherrschung kämpfend, kurz davor das Mikrofon zu stürmen oder den Raum zu verlassen während die anderen 300 Leute mit „oh yeah, man! Right! Jesus!“ ihren Zuspruch kundtun.
Nun hab ich aber nicht nur das schräge Leben dieser zwei Familien kennengelernt, sondern natürlich auch das Farmleben mitgelebt. Eine Kuh zu melken, aaah kein Problem, ich bin schon Profi! Das Haus streichen, dort ein paar Nägel einschlagen, die Paradeiser bewässern, den Kukuruz ernten… natürlich.. Noch dazu hab ich das erste Mal selbst Joghurt, Butter und Brot gebacken!
Und mit einer ganzen Menge Erfahrung und Erlebnissen schließe ich meine Kanadareise nach 7 Wochen ab.
Am 10.9. geht es für mich nach Ecuador/ Südamerika!
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